Kanalcodierung zur Optischen Datenaufzeichnung
Die öffentliche Wahrnehmung von Technologie in den vergangenen 30 Jahren wurde vor allem von den enormen Fortschritten im Bereich Audio- und Videoaufzeichnung geprägt. Es überrascht daher nicht, dass die Eduard Rhein Stiftung seit vielen Jahren herausragende Leistungen von Ingenieuren und Wissenschaftlern würdigt, die zur Entwicklung der Aufzeichnungstechnologie beigetragen haben. Mit dem allerersten Eduard Rhein Preis wurden die Pionierleistungen auf dem Gebiet der magnetischen Bildaufzeichnung gewürdigt, ihm folgten zahlreiche Preise zur Auszeichnung herausragender Leistungen auf dem Gebiet Audio- und Videoaufzeichnung. Das persönliche Interesse von Eduard Rhein galt der LP (Long Play) Vinyl Audioaufzeichnung, für die er ein patentiertes Verfahren zur Kodierung einer neuen Tonspur basierend auf einer zuvor aufgezeichneten Tonspur entwickelte. Zahlreiche Träger des Eduard Rhein Ehrenrings waren in dem Bereich Audioaufzeichnung involviert, darunter Herbert von Karajan, der auf die Verleihung des diesjährigen Eduard Rhein Technologie Preises indirekt und amüsant Einfluss nimmt.
Das erste Audio-Aufnahme-Gerät, das zur praktischen Anwendung kam, wird im allgemeinen Thomas Edison zugeschrieben, der in den 70er Jahren des 19. Jahrhunderts den Phonographen erfand und diesen patentieren ließ. In den 50er und 60er Jahren des 20. Jahrhunderts konnte die Klangqualität durch die Stereo LP-Technologie verbessert werden. Die digitale und optische Datenaufzeichnung begann in den 70er Jahren des letzten Jahrhunderts und verdankt ihren enormen wirtschaftlichen Erfolg in den letzten Jahrzehnten zu einem großen Teil dem diesjährigen Preisträger des Eduard Rhein Technologie Preises, Kees Schouhamer Immink.
Von 1967 an arbeitete Immink im Philips Forschungslaboratorium in Eindhoven, wo er in verschiedenen Gruppen, u.a. auch in einer optischen Gruppe, tätig war. 1973 begann er seine Arbeit an Servosystemen und der Elektronik zur Entwicklung des ersten kommerziellen optischen Plattenspeichermediums, der sogenannten LaserDisc. Die LaserDisc ermöglichte über eine Reihe von “Pits“ und “Lands“ auf der Plattenoberfläche das Aufzeichnen von Videodaten, wobei die Reflektionen eines Laserstrahls zum Lesen der Information dienten. Die Vermarktung der LaserDisc schlug leider fehl: ihre Größe und Störanfälligkeit konnte die Konsumenten nicht überzeugen. Die daraus gewonnenen Erfahrungen waren für den nächsten Schritt von Bedeutung, als Philips und Sony ihre Kräfte bündelten, um gemeinsam einen weltweiten digitalen AudioDisc-Standard zu entwickeln. Immink war der leitende Ingenieur in der damit vertrauten Forschungsgruppe von Philips und er entwickelte einen Kanalcode und ein Synchronisationsprotokoll. Der Kanal enthält ein Servosystem, das den Spuren der sich abwechselnden “Pits“ und “Lands“ auf der Plattenoberfläche folgt. Durch Staub, Fingerabdrücke und Kratzer wird die Oberfläche unwillkürlich beschädigt, was dazu führt, dass die Servo-Funktionen unterbrochen werden und infolgedessen der Servo fehlerhaft arbeitet, Spuren überspringt oder ins Stocken kommt. Durch Imminks Kodierung wird die Anzahl der aufeinanderfolgenden “Pits“ und “Lands“ begrenzt und das “Spektrum“ des Servo-Signals geformt. Durch diese Eigenschaften wird der Servo in der Spur gehalten und die Anwendbarkeit bzw. die Abspielbarkeit der Disc verbessert. Darüber hinaus hat Imminks Code die Effizienz im Vergleich zu bestehenden Codes deutlich erhöht. Es entstand die Compact Disc (CD).
Die CD revolutionierte den elektronischen Verbrauchermarkt und machte der Öffentlichkeit die digitale Technologie zugänglich. Weltweit wurden mehr als 200 Milliarden CD Audio-Discs verkauft. Die CD legte den Grundstein für eine Vielzahl neuer digitaler Technologien, wie beispielsweise die CD-R, DVD, MiniDisc, Blu-Ray Disc und viele mehr. Immink entwickelte die Kanalkodierung für die DVD, er war maßgeblich an der Entwicklung der Blu-Ray Disc beteiligt und er war es, der ihr Plattenformat entwarf. Zahlreiche bedeutende Preise und Ehrungen wie beispielsweise die IEEE Edison Medaille im Jahr 1999 und ein Emmy im Jahr 2003 dokumentieren die weltweite Anerkennung seiner Beiträge zur digitalen Aufzeichnungstechnologie.
Schlussendlich, zurück zu Karajan. Einer kuriosen und gerne erzählten Geschichte zufolge soll der 120 mm große Durchmesser der CD von der Gattin eines Sony Vize Präsidenten festgelegt worden sein, um Beethovens Neunte Symphonie in voller Länge zu erfassen. Die von Herbert von Karajan dirigierte Version dauerte 66 Minuten und hätte auf ein kleineres Format gepasst. Die jedoch damals längste zur Verfügung stehende Version war die von Wilhelm Furtwängler; sie dauerte 74 Minuten. So kam es, dass ein 120 mm Format gewählt wurde, das eine maximale Spieldauer von 74 Minuten und 33 Sekunden hatte. Unglücklicherweise oder zum Glück war der wahre Grund eher praktischer Natur: die zur Auswahl stehenden Durchmesser waren das 100 mm Design von Sony und das 115 mm Design von Philips. Tatsächlich wäre es durch Imminks Kodierung sogar möglich gewesen, einen Durchmesser von 100 mm für die Aufzeichnung von Furtwänglers Version zu verwenden. Stattdessen hat man sich auf den 120 mm Durchmesser verständigt, um sicherzustellen, dass keinem der Unternehmen ein Wettbewerbsvorteil auf dem neuen Markt entsteht. Die Geschichte geht jedoch noch weiter: Das Entwicklungsteam nutzte den zusätzlichen Platz, um die Produktionsrendite für CD Discs und Player zu erhöhen, indem man die Abmessungen der “Pits“, “Lands“ und “Tracks“ vergrößerte. Dadurch wurde das Lesen der CD vereinfacht und die Produktion verbilligt.
Prof. Dr. Gerhard Kramer
Techn. Universität München