Grundlegende Beiträge zur Raum- und Psychoakustik sowie die Erfindung des Linear Predictive Coding und des Codebook exited Coding von Sprache

Forschungen zur Sprachkodierung, Konzertsaal-Akustik und Zahlentheorie – ein breites Tätigkeitsfeld

Ein Mobiltelefon ist uns inzwischen ein so selbstverständlicher Gegenstand geworden, dass wir uns kaum noch bewußt machen, welche Vielzahl technischer Spitzenleistungen nötig sind, um das Funktionieren wirklich zu gewährleisten. Dabei hat sich in den letzten zehn Jahren das Mobiltelefon von einem schweren, klobigen Gerät zu einem designten, zierlichen Spielzeug entwickelt, und um so weniger realisieren wir heute die hohe technische Komplexität im Inneren. Beim Telefonieren durchläuft unsere Sprache zahlreiche, komplizierte Verarbeitungsschritte, um schließlich beim Empfänger in möglichst originaler Qualität anzukommen. Der für diese Sprachqualität wichtigste und maßgebende Schritt ist dabei die in sogenannten „Codecs“ (von: Coding, Decoding) stattfindende Datenreduktion. Ohne diese Kompression der Daten auf etwa ein Zehntel wäre ein gleichzeitiges Telefonieren vieler Menschen gar nicht möglich!

Die Erfindung des „Linear predictive coding LPC“ von Prof. Schroeder im Jahr 1967 gemeinsam mit Bishnu Atal und die vom gleichen Team 1984 erfundene „Codebook exited linear prediction CELP“ bildet für diese Sprachkompression den wichtigsten Grundstein. Zahlreiche Weiterentwicklungen und Verfeinerungen dieser Technik haben schließlich zur Qualität und Reife der heutigen Codecs geführt, wie sie in etwa einer Milliarde Mobiltelefonen täglich genutzt wird.

Nun ist die Beurteilung einer Sprachqualität oder -allgemeiner- einer beliebigen akustischen Darbietung natürlich ein sehr persönlicher Vorgang, der sich sehr schwer objektiv messen läßt. Hier haben die Forschungen von Prof. Schroeder in ganz unterschiedlichen Bereichen Maßstäbe gesetzt. Beispielsweise gelang es ihm mit einem Forscherteam, die akustischen Eigenschaften von 22 berühmten Konzertsälen so originalgetreu zu reproduzieren, dass erstmalig ein direkter Vergleich (ohne lange reisen zu müssen!) möglich war. Die Ergebnisse waren richtungsgebend für die Architektur moderner Konzertsäle. Dabei zeigte sich eindrucksvoll, dass moderne Konzertsäle mit ihren oft niedrigen Decken und breiten Räumen geradezu Gift für einen guten Klang sind, während ältere Konzertsäle hier viel besser waren. Nebenbei wurde hier auch noch eine besonders raffinierte Form der Wandgestaltung erfunden, die Schroeder-Reflektoren, die neben einer reizvollen Ästhetik auch noch zum besonders guten akustischen Konzerterlebnis beitragen.

Mit den Schroeder-Reflektoren wurde, vielleicht sogar erstmalig mit solcher Relevanz für die Praxis, intensiv mit Methoden der Zahlentheorie an akustischen Problemen gearbeitet. In diesem Zusammenhang entstanden zahlreiche Ideen und Vorschläge, die zum Teil gerade in jüngster Zeit erhebliche Bedeutung bekamen. So war es beispielsweise über Jahre ein „Hobby“ von Prof. Schroeder, Signale mit besonders kleinen Spitzenwerten zu erzeugen. Dabei geht es vereinfacht darum, viele Töne gleichzeitig klingen zu lassen (bei fester Lautstärke eines jeden Tones!), aber dabei gleichzeitig den Spitzenwert der Lautstärke möglichst klein zu halten. Man stelle sich diese Aufgabe beim Anschlagen eines riesigen Akkordes auf dem Klavier vor! Heute ist dieses Problem von zentraler Bedeutung zum Beispiel beim schnellen Surfen im Internet: Das dabei in der Regel verwendete Verfahren ADSLüberträgt nämlich die Daten gerade durch viele Töne gleichzeitig und muß dieses Tongemisch dabei durch Kabel, Verstärker und alle angeschlossenen Apparaturen bringen – deshalb die Forderung nach einem kleinen Spitzenwert.

Die dargestellten Beispiele illustrieren die außerordentliche Bandbreite der Forschungen von Prof. Schroeder, dessen Arbeit immer wieder Brücken zwischen verschiedenen Forschungsbereichen geschlagen hat und dabei zu neuen und die zukünftige Forschung befruchtenden Ergebnissen führte. Mit der Verleihung des Eduard-Rhein-Technologiepreises wird Prof. Manfred Robert Schroeder für sein wissenschaftliches Lebenswerk und für die Erfindung und Weiterentwicklung der digitalen Sprachcodierung geehrt.

Dr. Sönke Mehrgardt,
SODANA CONSULTING, Deisenhofen