Evolutionäre Erkenntnistheorie – Philosophie im wissenschaftlichtechnischen Zeitalter
Evolutionäre Erkenntnistheorie –
Philosophie im wissenschaftlich-technischen Zeitalter
Vollmer verbindet in seiner Person die beiden akademischen Kulturen: Er wurde bei Siegfied Flügge, damals eine der besten Adressen in theoretischer Physik, mit dem höchsten Lob promoviert. Sein Zweitstudium in Philosophie und Linguistik führte zum Dr. phil. und ebnete ihm den Weg auf eine Professur für Philosophie.
Vollmers Stärken in Wort und Schrift sind Klarheit, Deutlichkeit, Verständlichkeit. Seine doppelte Ausbildung als Physiker und als Philosoph hat ihn zum Mittler zwischen den Natur- und Geisteswissenschaften werden lassen. Er verkörpert das Prinzip Interdisziplinarität in vorbildlicher Weise. Aber auch für den gebildeten Laien sind seine Bücher zugänglich. Vollmer versteht es, komplexe Sachverhalte zu vereinfachen, ohne sie zu entstellen.
Wir ehren Vollmer für sein philosophisches Gesamtwerk, aber vor allem für sein Buch Evolutionäre Erkenntnistheorie . Es ist am Anfang seiner Karriere (1975) aus seiner Dissertation entstanden und hat seitdem in acht Auflagen und vier Übersetzungen sein Ansehen als Philosoph und Schriftsteller begründet, auch im Ausland.
Vor diesem Hintergrund seien einige Gesichtspunkte herausgestellt, die uns bewogen haben, Vollmer als Preisträger auszuwählen:
Vollmer hat in seinem Werk die evolutionäre Erkenntnistheorie erstmals stringent formuliert und philosophisch untermauert. Das Konzept einer Evolution der Erkenntnisfähigkeit, die Naturalisierung der traditionellen epistemologischen Fragen und Antworten, haben Philosophie und Naturwissenschaften einander näher gebracht. Vollmers Leitbegriff Mesokosmos für die Welt der mittleren Dimensionen, also für jenen Ausschnitt der Welt, an den wir kognitiv angepasst sind, hat sich eingebürgert. Sein naturalistisches Gesamtkonzept hat sich bewährt, sowohl im deutschen als auch im angloamerikanischen Denken: Die Grundideen Vollmers prägen auch die Evolutionary Epistemology und die Evolutionary Psychology. Vollmer gilt bei den epistemologisch interessierten und geübten Biologen weltweit als Vordenker und Wegweiser.
Die naturalistische evolutionäre Erkenntnistheorie hat inzwischen weite Kreise gezogen. Sowohl die Evolutionäre Ethik grundlegend bedeutsam für die künftige Gestaltung des technischen Zeitalters als auch die derzeit entstehende Evolutive Ökonomik beziehen sich auf die Aussagen der Evolutionären Erkenntnistheorie. Der von Vollmer geprägte und begründete Begriff des „sozialen Mesokosmos“ hat einen neuen Zugang zum Verständnis unseres Sozialverhaltens eröffnet.
Besonders wichtig erscheint uns die Rolle Vollmers als Mittler und Vermittler. Hier erlaube ich mir, einen Leitgedanken aus unserer längerfristigen Strategie zu skizzieren. Die Jury hat sich vorgenommen, einige herausragende Autoren mit dem Kulturpreis auszuzeichnen, die auf unterschiedliche Segmente der Gesellschaft einwirken. Wir hielten nach Leuten Ausschau, die es vermögen, die Inhalte der Naturwissenschaften und der modernen Technik an unterschiedliche Zielgruppen zu vermitteln.
Im Jahr 2002 ging der Kulturpreis an Armin Maiwald für sein Jahrzehntelanges Bemühen, technische Sachverhalte kindgerecht im Fernsehen darzustellen . Im Jahr 2003 vergaben wir den Kulturpreis an Ernst Peter Fischer für sein stetes und erfolgreiches Bemühen, der anderen Bildung was man von den Naturwissenschaften wissen sollte bei einer breiten Mittelschicht in unserem Land zur Akzeptanz zur verhelfen.
Prof. Dr. Dr.h.c.mult. Hans Mohr,
Universität Freiburg