Erfindung und Entwicklung von Chipkartentechnologien

Jürgen Dethloff
für seine frühen Arbeiten und Erfindungen zur Entwicklung der heutigen Chipkarte, insbesondere für die Erfindung der Mikroprozessorkarte.

Roland Moreno
für seine bedeutenden Erfindungen und Entwicklungen zur weiten Verbreitung der Chipkarte, insbesondere für das Datenmanagement, die Prüfung der persönlichen Identifizierungsnummer sowie der Datenzugangskontrolle.

Chipkarten – von der Telefonkarte zum Computer in der Westentasche

Noch vor 30 Jahren gab es sie nicht: Die Chipkarten, die heute vor allem Europa, zunehmend aber auch die USA und Asien im Siegeszug erobern. An die Telefonkarte, die erste große Breitenanwendung der Chipkarte, hat man sich längst gewöhnt und vergißt dabei, daß sie in Frankreich seit rund 20 Jahren, in Deutschland erst seit gut zehn Jahren im Masseneinsatz ist. Jetzt kommen die ersten länderübergreifenden Telefonkarten: Die Karte wird in einem Land gekauft und kann in anderen Ländern genutzt werden. Eine andere wichtige Applikation in der Telekommunikation ist die GSM-Karte, die für die Nutzung der Handys erforderlich ist. Bei dem gegenwärtigen Boom im Mobilfunk fällt hierauf ein rasch wachsender Anteil unter den Applikationen.

Die Frage, ob die Chipkarte eine Teil unserer Kultur ist, stellt sich nicht (mehr): Längst sind aufwendig gestaltete Telefonkarten in kleinen Auflagen zu begehrten Sammelobjekten geworden. Sie erzielen hohe Wertsteigerungen und ähneln dabei den Briefmarken, die neben ihrer Frankaturfunktion auch längst zur Anlage für Sammler geworden sind.

Was für die Sammler in weniger als einer Generation zu Kultobjekten wurde, ist von ganz erheblicher wirtschaftlicher Bedeutung. Die in den Chipkarten verarbeiteten Halbleiterbausteine repräsentieren heute bereits in Europa einen Markt von einer halben Milliarde DM. Weltweit erwartet man für die Jahrtausendwende ein Marktvolumen für die kleinen Chipkarten-Chips von 2,3 Mrd. DM, der sich dann zu je einem Drittel auf Europa, die USA und Asien aufteilen dürfte.

Die Chipkartentechnologie hat viele Treiber in der Anwendung. Während in Europa nach Stückzahlen noch die Telekommunikation dominiert, kommen aus den USA neue Anwendungen aus dem Finanzbereich: Hier steigen die Kreditkartenorganisationen von der alten Magnetkarte um, weil die Chipkarte erheblich höhere Sicherheitsbedürfnisse zu erfüllen vermag und das zu vernünftigen Kosten. Der Zahlungsbereich ist Motor für viele andere Anwendungen: Die weltweit erste „Elektronische Geldbörse“ mit einer Chipkarte wurde in Dänemark realisiert, die erste Eurocheque-Karte mit Chip in Österreich.

Ein anderes Segment ist das Gesundheitswesen: Hier sind weit mehr als 50 Millionen Chipkarten von den Krankenkassen in Deutschland als Ausweiskarten ausgegeben worden, die das Abrechnungswesen für die Ärzte und Krankenkassen vereinfachen helfen. Die Optionen sind gerade auf dem Gebiet des Gesundheitswesens noch lange nicht ausgeschöpft: Die hohen Sicherheitsmerkmale moderner Chipkarten machen es nämlich auch möglich und sinnvoll, auf den Karten lebenswichtige Hinweise für die Notfallmedizin zu speichern, ohne daß ein Mißbrauch der gespeicherten Daten zu befürchten ist. In den Niederlanden wird eine solche Patientendatenkarte bereits eingesetzt. Das Gesundheitswesen ist schon das drittstärkste Marktsegment für die Chipkarte geworden.

Ganz andere Nutzerkreise spricht die Chipkarte im Verkehrsbereich an. Die Deutsche Lufthansa hat ihre Senator-Card bereits mit einer kontaktlosen Chipkarte ausgestattet, mit der sogar Flugbuchungen am Terminal vorgenommen werden können, einschließlich der Reservierung des „Lieblingsplatzes“ (sofern er verfügbar ist). Dazu braucht die Karte nicht mehr in einen Schlitz eingeführt werden. Hier verbinden sich Zahlungs- und Reservierungsfunktion miteinander. In einigen Städten laufen derzeit Feldversuche, die die Nutzbarkeit der Chipkarte für den öffentlichen Personennahverkehr untersuchen: Die Chipkarte als Fahrscheinersatz. Sie birgt im Gegensatz zu konventionellen Fahrscheinen eine exzellente Möglichkeit, das Fahrentgelt genau nach der erbrachten Leistung zu berechnen und damit die Nutzung von U- und S-Bahnen, von Straßenbahnen und Autobussen attraktiver zu machen.

Die Idee eines „Rechners in der Westentasche“ rückt mit einer speziellen Chipkarte in den Bereich des Möglichen. Sie baut darauf, daß größere Datenmengen in einer solchen Chipkarte gespeichert sind, Daten, die für den Besitzer als Arbeitsmaterial wichtig sind. Alles, was der Nutzer dann noch braucht, ist eine Art mechanischer Hülle, eine Bedienungseinheit mit Tastatur, Bildschirm, Prozessor und Netzteil, in die seine persönliche Karte mit den gespeicherten Daten und Informationen eingeschoben wird; der tragbare Rechner von heute schrumpft auf Telefonkartengröße.

Für alle solche Ideen war es Voraussetzung, daß genormte Formate in den Abmessungen und Zugriffsmöglichkeiten geschaffen wurden, denn nur so läßt sich ein weltumspannender Standard setzen. Ein unübersehbarer Vorteil ist die der Chipkarte inhärente Systemsicherheit. Aus gutem Grund haben die Vertreter eines konsequenten Datenschutzes stets davor gewarnt, in zentralen Dateien persönliche Daten der Bürger in größerem Umfang abzulegen. Mit der Chipkarte bietet sich die Möglichkeit, solche Daten auf der persönlichen Chipkarte des Besitzers unterzubringen. Die Nutzung dieser Daten oder eines Teiles davon wird nur dem zugestanden, der sie zum Vollzug bestimmter Arbeiten benötigt. Die Verfügungsgewalt darüber behält das Individuum.

Die EDUARD-RHEIN-STIFTUNG zeichnet 1996 zwei europäische Erfinder aus, die als Wegbereiter der Chipkarte weltweite Anerkennung gefunden haben. Als nicht kommerzielle Stiftung wertet sie dabei nicht Erfinderrechte, Erstveröffentlichungen oder Marktanteile, sie honoriert das Lebenswerk zweier Männer, die, jeder auf seine Weise, zum Erfolg dieses neuen Mediums an maßgeblicher Stelle beigetragen haben.

Dipl.-Ing. Klaus H. Knapp
EDUARD-RHEIN-STIFTUNG