Erfindung der Magnetresonanz-Tomographie
Bilder aus dem Inneren des Körpers
Die Bildgebung auf der Grundlage der nuklearmagnetischen Resonanz (heute einfach Magnetresonanz- oder MR-Tomographie genannt) hat sich in den letzten drei Jahrzehnten für die wissenschaftliche Forschung und medizinische Diagnostik zu einem einzigartigen Werkzeug entwickelt. Sie liefert Bilder aus dem Inneren des Körpers von Mensch oder Tier, die nicht nur die Organe genau darstellen, sondern auch Ihre Funktionen bewerten lassen. Die hohe Genauigkeit der MR- Tomographie ermöglicht dabei eine besonders empfindliche Darstellung pathologischer Veränderungen. Darüber hinaus arbeitet dieses bildgebende Verfahren, soweit bis heute bekannt, völlig unschädlich für den Organismus, da es im Gegensatz zur Röntgentechnik ohne ionisierende Strahlen auskommt. Daher kann es ohne Belastung der Patienten beliebig oft eingesetzt werden. In der Medizin ergänzt und erweitert die MR-Tomographie die Möglichkeiten von Röntgenuntersuchungen ganz erheblich und auf heute unverzichtbare Weise. Die MR-Tomographie wurde 1972 von dem amerikanischen Chemiker Prof. Paul C. Lauterbur erfunden. Er beschrieb in der angesehenen wissenschaftlichen Zeitschrift NATURE die Möglichkeit, aus den Magnetresonanz-Signalen von Atomen Bilder zu generieren. Diese Signale senden Atome aus, wenn sie durch ein starkes Magnetfeld und ein zusätzliches elektromagnetisches Wechselfeld, d. h. Radiowellen, zu Schwingungen angeregt werden. Die von den Atomkernen zurückgestrahlten Radiowellen enthalten in ihrer Stärke und Frequenz Informationen über ihre unmittelbare Umgebung. Sie werden unter dem Namen Magnetresonanz-Spektroskopie seit 1946 in Physik und Chemie für die molekulare Analyse und Strukturforschung genutzt. Prof. Lauterbur ist es nun erstmalig gelungen, diese Magnetresonanz-Signale durch die kurzzeitige Hinzuschaltung weiterer Magnetfelder räumlich unterscheidbar zu machen und diese räumliche Zuordnung für die Erzeugung eines Bildes zu nutzen.
Bereits in seiner ersten Veröffentlichung stützte sich Paul Lauterbur auf praktische Experimente und zeigte Perspektiven der Anwendung, die erst seit einigen Jahren in ihrer ganzen Tragweite genutzt werden. Er schilderte nicht nur den Weg der Bilderzeugung und veröffentlichte erste Bilder, sondern beschrieb auch die zusätzlichen Möglichkeiten, die sich bei der Verwendung von Kontrastmitteln ergeben. Er erkannte bereits die Chance, neben der räumlichen auch die chemische Information aufzuzeichnen und dadurch nichtinvasiv Stoffwechselvorgänge im Körper zu verfolgen. Mit seiner wegweisenden Arbeit legte Prof. Lauterbur den Grundstein für die rasante Entwicklung der MR-Tomographie, die er selbst zunächst „Zeugmatographie“ nannte. Inzwischen gibt es vielfältige Anwendungen für die biologische Forschung, vor allem aber in der medizinischen Diagnostik. Nach Ansicht von Fachleuten ist die MR-Tomographie heute das wichtigste Verfahren der diagnostischen Bildgebung. Prof. Lauterbur hat diese Entwicklung nicht nur eingeleitet, sondern an ihr entscheidend mitgearbeitet und sie vorangetrieben. Statt zweidimensionaler Bilder von einzelnen Schichten aus dem Körper liefert die MR-Tomographie heute dreidimensionale Bild-Rekonstruktionen und Visualisierungen von ganzen Körperbereichen. Sie ermöglicht die exakte Vermessung von Organen, die dynamische Darstellung von Bewegungen des Herzens oder das Erfassen der Fließgeschwindigkeit des Blutes in den Gefässen. Aus dem Alltag vieler Kliniken und Arztpraxen ist die MR-Tomographie heute nicht mehr wegzudenken.
Paul Lauterbur selbst arbeitete in den letzten Jahren an der Entwicklung eines MR-Mikroskops, das vor allen für die physiologische Analyse kleinster biologischer Objekte wie etwa einzelner Zellen eine höchste räumliche Auflösung erzielen soll. Ein weiteres Forschungsfeld von Prof. Lauterbur waren Verfahren zur Untersuchung von Gehirnfunktionen und ihrer krankhaften Veränderungen mit Hilfe der MR-Technik. Vor kurzem hat er ein Programm zur Erforschung von präbiotischen Molekülen gestartet, also chemischen Formen, aus denen einmal das Leben auf der Erde entstanden sein könnte. Mit der Verleihung des Eduard-Rhein-Technologiepreises wird Prof. Paul C. Lauterbur für seine fundamentalen Arbeiten zur Erfindung und Entwicklung der Magnetresonanz-Tomographie geehrt.
Dr. Sönke Mehrgardt,
Infineon Technologies